Investoren und Anleger machen sich mit zunehmendem Leerstand Sorgen um die Werthaltigkeit Ihrer Investments. Viele verlassen sich dabei auf die Einschätzung von Bewertern und Marktexperten. Es gibt jedoch grossen Spielraum, in welcher Form Leerstand in der Bewertung berücksichtigt wird. Ein Blick ins Detail lohnt sich.
- Im aktuellen Marktumfeld stehen Leerstände zentral im Interesse der Marktteilnehmer
- In der Bewertung können Leerstände vielfältig abgebildet werden – für die ganzheitliche sowie konsistente Berücksichtigung bedarf es Erfahrung und Know-How vom aktuellen Marktgeschehen
- Die aktuellen Entwicklungen am Schweizer Immobilienmarkt mit steigenden Leerständen dürften sich negativ auf die Wertentwicklung von Immobilienanlagen auswirken
Zum Jahresbeginn veröffentlichten viele Beratungsunternehmen wieder neue Zahlen und Analysen zum Immobilienmarkt. Marktexperten rechnen trotz positiver Signale für die Innenstadt mit einer Zunahme des Flächenangebots am Büromarkt für die Region Zürich in der näheren Zukunft. Obwohl sich diese Entwicklung schon seit längerer Zeit ankündigte, so zeigten verschiedene Statistiken in den letzten Quartalen dennoch ein rückläufiges Angebot. Gründe hierfür sind neben der regulären Vermietung von verfügbaren Flächen (Absorption) auch die Definition von leerstehenden Flächen bei der Erhebung. So werden beispielsweise Immobilien, die zurzeit renoviert werden, nicht berücksichtigt, da diese für den Zeitraum der Sanierung kurzfristig nicht zur Verfügung stehen. Mit Fertigstellung der Sanierungen kommen nun vermehrt Objekte mit verbesserter Qualität auf den Markt.
Leerstandsrate |
vs. |
Angebotsrate |
Das Verhältnis von tatsächlich leerstehender Fläche zum Gesamtflächenbestand. Leerstehende Fläche ist definiert als Fläche, die nicht durch einen Mieter belegt ist, unabhängig von etwaigen Mietverträgen auf dieser Fläche. Leerstandsfläche kann somit verfügbar oder nicht verfügbar sein. Sie wird dazu nur in Bestandsliegenschaften berücksichtigt. Flächen, die aktuell renoviert werden sowie Entwicklungsprojekte werden nicht miteinbezogen.
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Das Verhältnis von verfügbarer Fläche zum Gesamtflächenbestand. Verfügbare Fläche ist definiert als Summe aller Flächen, die aktuell als verfügbar für Vermietung innerhalb einer bestimmten Zeit vermarktet werden. Jegliche verfügbaren Flächen werden hierin abgebildet, unabhängig davon, ob die Fläche leer steht, belegt ist, zur Untervermietung angeboten wird oder zu einem zukünftigen Zeitpunkt verfügbar ist, wobei Flächen von Entwicklungsprojekten oder Renovationen ausgeschlossen werden, sofern diese nicht innerhalb von 3 Monaten bezogen werden können. |
Sanierungen sind eine beliebte Massnahme, um den Mietertrag und Erfolg einer Liegenschaft auch für die Zukunft sicherzustellen und die Vermietungswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Portfoliomanager haben die Leerstandsquote ihrer Immobilien fest im Blick, wird doch häufig der Erfolg ihrer Arbeit unter anderem an dieser Kennzahl gemessen. Noch wichtiger aber ist meist die Wertentwicklung des Portfolios.
In der Immobilienbewertung gehört die Analyse der aktuell und zukünftig leerstehenden Flächen zur Kernaufgabe des Schätzers. Für eine realistische Einschätzung braucht es Erfahrung zur Marktabsorption von leeren Flächen basierend auf Beobachtungen in der Vergangenheit. Noch wichtiger sind jedoch die Prognosen für die Zukunft.
Wie wird Leerstand in der Bewertung berücksichtigt?
Renditeliegenschaften werden in der Schweiz vorwiegend mit dem Ertragswertverfahren und insbesondere der Discounted Cas Flow (DCF)-Methode bewertet. Hierbei werden die für den Eigentümer zu erwartenden Cash Flows so realistisch wie möglich modelliert.
Über den im Detail modellierten Zeitraum von üblicherweise 10 Jahren können Leerstandszeiträume explizit abgebildet werden. Im statisch betrachteten Exit-Jahr 11 wird Leerstand meist über eine langfristige durchschnittliche Annahme berücksichtigt. Alternativ können die Erträge auch detailliert über die Restnutzungsdauer oder einen langfristigen Zeitrahmen geschätzt werden.
Neben den direkten Ertragsausfällen durch Leerstand entstehen dem Eigentümer häufig direkte Kosten und einhergehende Kosten, um die Leerstandsflächen wieder zu vermieten:
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Vermietungskosten – Vermietungsprovisionen, Vermarktungsunterlagen, Insertionskosten, etc.
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Renovationskosten – Wände streichen, Böden abschleifen, etc. – wertvermehrende Massnahmen sind jedoch davon abzugrenzen
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Mietfreie Zeiten – Besonders im Bürobereich beliebtes Verhandlungsthema
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Ausbaukostenzuschüsse – ebenfalls im Bürobereich üblicher Verhandlungsspielraum
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Regulär umlagefähige Nebenkosten für leeren Flächen, die nicht weiterverrechnet werden können.
Beispiel einer Leerstandsmodellierung im DCF bei einem Büromietvertrag mit 5 Jahren Restlaufzeit
Kurzfristige vs. langfristige Annahmen für Leerstandszeiten
Die Dauer von Leerstandszeiten variiert klar mit Nutzungsart, lokalem Angebot und Nachfrage, Objektqualitäten und nicht zuletzt auch den Mietzinsvorstellungen des Eigentümers. Ein Büroneubau mit flexiblem Grundriss an guter Lager hat beispielsweise mehr Mietinteressenten als ein Altbau im Gewerbegebiet eines Vororts. Wohnliegenschaften und Highstreet-Retail-Flächen haben tendenziell die geringsten Leerstandsraten und -zeiten. Für gut geschnittene Wohnungen an attraktiven Lagen fallen häufig nur sehr geringe bis gar keine Leerstandszeiten an, sodass Wohnungen teilweise nahtlos weitervermietet werden können.
Bei Gewerbemietverträgen wird meist eine fixe Mietvertragsdauer (z.B. 5 oder 10 Jahre) vereinbart. In der Modellierung der Cash Flows kann somit nach Ablauf des Mietvertrags eine Leerstandsperiode eingeplant werden. Wie verfährt man jedoch bei unbefristeten Verträgen?
Hier gibt es in der Bewertungspraxis mehrere Ansätze, die sich etabliert haben:
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Ansatz eines strukturellen Leerstands als gleichmässiger Abzug bei den Mieterträgen
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Annahme von gleichmässigem Auslauf sämtlicher Mietverträge über den Detailplanungszeitraum
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Annahme einer üblichen Vertragsdauer von 5 Jahren für Gewerbeliegenschaften
Die Modellierung zum gleichmässigen Auslauf der Mietverträge kommt der Realität sehr nahe, da erfahrungsgemäss mit einem jährlichen Mieterwechsel von 8% bis 10% gerechnet werden kann und somit über 10 Jahre diese Fluktuation umfänglich berücksichtigt wird.
Während im Detailplanungszeitraum die Leerstände explizit modelliert werden (z.B. 0 bis 3 Monate für Wohnungen), muss der Leerstand in der langfristigen Betrachtung über einen prozentualen Abzug angesetzt werden. Hierbei gilt es die zuvor getroffenen Annahmen zu Mieterwechseln und Leerstandszeiten konsistent fortzusetzen, aber auch die Erwartungen für die Zukunft zu berücksichtigen.
Geht man beispielsweise von einem einzigen Mieterwechsel pro Mieteinheit über eine Dauer von 10 Jahren bei einer Leerstandsdauer von 2 Monaten aus, so müsste die langfristige Berücksichtigung im Exit-Jahr mit 1.67% des Mietertrags erfolgen (2 Monate auf 120 Monate). Bei 6 Monaten wären dies bereits 5%. Finden erfahrungsgemäss mehr als ein Mieterwechsel innerhalb von 10 Jahren statt, so fällt die langfristige Betrachtung entsprechend noch höher aus. Insbesondere bei Büroliegenschaften mit üblichen Mietdauern von 5 Jahren ist dies genau zu prüfen. Für die langfristige Betrachtung sollten auch die aktuelle Angebotsziffer am örtlichen Büromarkt und deren Entwicklung einbezogen werden.
Einschätzung der Bewertungsparameter
Die zuvor genannten Parameter zur Berücksichtigung von Leerstand muss der Bewerter marktgerecht und angepasst an das Bewertungsobjekt einschätzen können. Hierzu muss sich der Bewerter auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückgreifen können. Langfristige Betrachtungen und Auswertungen von Immobilienportfolien sowie deren Vermietungserfolgen sind ebenso wichtig wie der direkte Draht zum Markt. Wer aktiv am Marktgeschehen teilnimmt und Verhandlungen begleitet, kann die genauen Konditionen bei Mieterwechseln marktnah einschätzen. Eine eigene Marktforschungsabteilung als Unterstützung für den Bewerter bildet eine ideale Grundlage für die Prognosen in der Immobilienschätzung.
Ausblick
Die Performance von Immobilienanlagen wird häufig anhand der Gesamtrendite gemessen. Diese setzt sich zusammen aus der Cash Flow-Rendite und der Wertänderungsrendite. Mit zunehmenden Leerständen schmälert sich die Ertragsseite von Renditeobjekten und durch wachsenden Angebotsüberhang sinkt zudem das Mietzinsniveau sowie die Einschätzung zu zukünftig zu erzielbaren Marktmieten. Diese Entwicklung ist aktuell in vielen Gegenden am Schweizer Mietwohnungsmarkt zu beobachten. Die Cash Flow-Rendite wird daher in einem Umfeld von steigenden Leerständen sinken.
Dieser negative Effekt könnte kompensiert werden durch eine positive Wertänderung. Zu beobachten war dies in den letzten 5 Jahren, als Investoren bereit waren, für einen konstanten Ertrag immer höhere Preise zu zahlen. Diese Entwicklung – auch als «Yield Compression» bekannt – dürfte sich zukünftig kaum weiter fortsetzen. Zwar bleibt der Anlagedruck für institutionelle Investoren nach wie vor hoch, jedoch wurden die notwendigen Risikoprämien für Immobilieninvestments bereits auf ein Minimum reduziert. Daher dürfte die Gesamtrendite für Immobilien kurz- bis mittelfristig leicht rückgängig ausfallen.